Die unterschiedlichen Bedingungen der Sklaverei bzw. Leibeigenschaft, mit denen die jeweiligen Gruppen konfrontiert waren, veränderten die homogene Soziostruktur der Roma. Während die "Ţigani" bzw. Robi domneşti als wandergewerbetreibende Handwerker (Kalderaš, Lingurari, Aurari [Goldgräber bzw. Wascher] noch ein gewisses Maß an persönlicher Freiheit für sich in Anspruch nehmen konnten, was dazu führte, dass sie ihre Kultur und Sprache weitgehend bewahren konnten, waren die Ţigani bzw. Robi boiereşti, Ţigani bzw. Robi manaştiresti als Hausangestellte oder Landarbeiter zur Sesshaftigkeit gezwungen und somit am stärksten der Willkür ihrer Besitzer ausgeliefert. Sie wurden auch als "Ţigani vatraşii" ("Gemeinde-Zigeuner") bezeichnet und konnten, aufgrund ihrer permanenten Verfügbarkeit, nach Belieben ausgesondert, bestraft und verkauft werden. Dem rumänischen Schriftsteller Mihail Kogalniceanu zufolge, stellten sie die größte Gruppe der insgesamt ca. 200.000 Roma-Sklaven dar.Alle Roma-Gruppen waren jedoch gleichermaßen Opfer einer Herrschaftsform, die ihre Menschenrechte nicht nur einschränkte, sondern gänzlich entzog.
Kalderaš-Geschichte
Kalderaš sind die wohl am weitesten verbreitete Roma-Gruppe. Ihre Vorfahren sind nach Verlassen des kleinasiatischen Raumes zunächst nach Moldawien/Walachei gewandert. Der allgemeinen Lehrmeinung zufolge verließ die Mehrzahl der Vlach-Roma den rumänischen Raum erst nach Aufhebung der Sklaverei 1855/56 und wanderte nach Westen. Es existieren aber unter den heute in Österreich ansässigen Kalderaš keine Überlieferungen über Vorfahren in Rumänien. Es müssten zumindest die Großeltern der nach Österreich eingewanderten Generation Erinnerungen ihrer noch in Rumänien geborenen Großeltern weitergeben können, was jedoch nicht der Fall ist; soweit die Überlieferung zurückreicht, ist nur von Vorfahren in serbischen Siedlungsgebieten die Rede. Es scheint, dass schon vor Aufhebung der Sklaverei 1855/56 Vlach-Roma in größerer Zahl den rumänischen Raum verlassen haben. Kalderaš leben heute in vielen Ländern der Welt: in Europa besonders in Schweden, Frankreich, Belgien, Russland, Polen, Rumänien, Serbien; die Literatur über diese Gruppe ist in den meisten Ländern sehr umfangreich. Im Rahmen der Arbeitsmigration sind Kalderaš ab den sechziger Jahren als so genannte "Gastarbeiter" aus Serbien nach Österreich gekommen. Die Einwanderung erfolgt nach dem üblichen Muster der Arbeitsmigration: Anfangs kommen Männer, die aufgrund des gruppenspezifischen Handwerks – Kesselflicker, Kupferschmiede – hauptsächlich in der (Bau-) Metallbranche Arbeit finden und vorhaben, wieder nach Serbien zurückzukehren, nachdem sie ausreichend Geld verdient haben. Aufgrund des länger als ursprünglich geplanten Aufenthalts folgen dann auch die Familien: erst die Frauen, dann die Kinder und z.T. auch deren Großeltern sowie weitere Verwandte bzw. Mitglieder der Großfamilie. Dadurch verlagert sich der Lebensmittelpunkt einer ganzen Sippe von Serbien nach Österreich in den Großraum Wien.
Gegenwärtige Situation
Die Kinder wachsen in Österreich auf und besuchen österreichische Schulen. Die Bindung an Serbien nimmt mit dem Alter ab, die in Österreich Aufgewachsenen haben, wenn überhaupt, nur mehr eine indirekte, aufgrund der ursprünglichen Herkunft von Eltern bzw. Großeltern gestiftete Beziehung zu deren Emigrationsland. Zumindest die Mitglieder der jüngeren Generation sind heute österreichische Staatsbürger.Sozial gesehen sind die österreichischen Kalderaš etabliert; d.h. sie haben zumindest den gleichen Lebensstandard wie die anderen als Gastarbeiter in den 60er Jahren vom Balkan gekommenen heutigen Österreicher. Aufgrund ihres traditionellen Handwerks – Kalderaš = Kesselflicker – haben viele Männer Metall ver- oder bearbeitende Tätigkeiten angenommen, z.B. als Installateur etc. Was sie von den Nicht-Roma-Gastarbeitern unterscheidet, ist der Umstand, dass sie relativ rasch versucht haben, aus den typischen Gastarbeiterberufen in selbständige Tätigkeiten zu wechseln oder sich zumindest neben einem Dienstverhältnis ein zweites, unternehmerisches Standbein zu schaffen. Die Bandbreite reicht dabei von Geschäftsgründungen – Gaststätten, u.a. auch eine Blumenhandlung – bis zum Altwarenhandel auf Flohmärkten. Die Tätigkeiten im Altwarenhandel, sei es mit eigenen Geschäften oder mit Ständen auf Flohmärkten, entsprechen alten "Roma-Tugenden", nämlich: All das, was die Gad ž e als unbrauchbar wegwerfen, wieder zu verwerten und zu Geld zu machen.Dieser Drang zur Selbstständigkeit ist typisch für Kalderaš, die immer versuchen, eine zu große Abhängigkeit von den Gadže zu vermeiden. Das hat im Fall der österreichischen Kalderaš nicht nur Vorteile für diese selbst gebracht, sondern auch für die Mehrheitsbevölkerung. Da sie in ihrem Streben nach relativer Unabhängigkeit – wie alle Roma, immer schon – auf ökonomische Nischen angewiesen sind, sind die selbstständigen Tätigkeiten – ob Geschäftsgründungen oder in der Recycling-Wirtschaft am Flohmarkt – durchaus auch für die Allgemeinheit von Bedeutung.
Trotz dieser scheinbaren "Teilintegration" in die österreichische Gesellschaft, die sich auch im relativen Wohlstand der einzelnen Familien äußert, ist der Gruppenzusammenhalt gegeben. Die Kalderaš bilden ein "closed network" innerhalb der großstädtischen "open network society": Die Romani-Variante, der Kalderaš-Dialekt der einzelnen Gruppen in den verschiedensten Ländern ist erstaunlich homogen geblieben.Die Soziostruktur der in Österreich ansässigen Kalderaš ist noch intakt. Der Gruppenzusammenhalt ist stark und grenzüberschreitend. Ein Kalderaš aus dem Ausland wird mit einem Fest (paćiv) empfangen und wie eine hoch gestellte Persönlichkeit behandelt. Finanzielle Überlegungen haben dabei keine Rolle zu spielen. Durch diese Tradition existiert für reisende Kalderaš in jedem Land sofort und ungeachtet vorheriger Kontakte ein funktionierendes soziales Netz, das durch Heiraten quer über die Grenzen noch intensiviert wird. Jede Familie hat dadurch einen guten Überblick über Aufenthalt und Reisen der Verwandtschaft im Ausland, was jederzeit gegenseitige Hilfeleistungen ermöglicht.Die Festtradition ist, ebenso wie die Großfamilienstruktur, ungebrochen. Abàv (Hochzeiten), slava (Fest jeder Familie, am Tag eines bestimmten Heiligen), kris (Rechtszusammenkünfte unter Vorsitz der den höchsten Respekt genießenden Autoritätspersonen bei Streitigkeiten innerhalb der Gruppe) und pomane (Totenfeiern nach einer genauen Tradition in bestimmten Abständen bis ein Jahr nach dem Tod der betreffenden Person) werden unter großem Aufwand (200 Anwesende sind keine Seltenheit) traditionsgemäß gefeiert. Bemerkenswert ist die Offenheit der Kalderaš gegenüber Gadže. Kontakte zu den Nicht-Roma aus dem Bekanntenkreis werden sehr gepflegt, Arbeitskollegen und Freunde sind gern gesehene Gäste. Die Familienstrukturen (frühe Verheiratung der Jugendlichen, Brautpreis, Werbungsritual und strenge moralische Maßstäbe) sind nach wie vor stabil. Der Konservativismus hat, was die Verehelichungstraditionen betrifft, in den letzten Jahren eher noch zugenommen. Die Jugend führt die Traditionen kontinuierlich fort. Mischehen sind selten, da sich Roma, die Nicht-"Zigeuner" heiraten, an den Rand der Sozietät manövrieren.Die österreichischen Kalderaš nehmen aktiv an öffentlichen Roma-Veranstaltungen teil, ihre Repräsentanten sind primäre Träger des Wiener Vereins Romano Centro (Obmann: Dragan Jevremović). Da sie im Gegensatz zu den bisher behandelten Gruppen weniger negative Erfahrungen im Kontakt mit der Mehrheitsbevölkerung haben, sind sie "Nicht-Roma" gegenüber offen und aufgeschlossen. Diese positive Einstellung der Kalderaš war den Volksgruppenaktivitäten der letzten Jahre sicherlich förderlich und hat höchstwahrscheinlich auch dazu beigetragen, dass Mitglieder anderer Gruppen an den diversen kulturellen, sozialen und politischen Aktivitäten teilnehmen.
Servika-Roma-Slowakische Roma
reiben. Zugleich sollten die Roma im Wald Holz, Pilze, Kräuter und Früchte sammeln, die in der Burg benötigt wurden. Im Laufe der Zeit ließen sich dann immer mehr Roma-Familien in der Slowakei nieder, was dazu führte, dass der überwiegende Teil der Servika-Roma nun schon seit drei oder vier Jahrhunderten sesshaft ist.Im Jahr 1893 wurde von den ungarischen Zivilbehörden – damals unterstand die Slowakei als Teil Ungarns der Regierung in Budapest – eine umfangreiche Erfassung der "Zigeuner" durchgeführt: Es stellte sich heraus, dass zu jener Zeit insgesamt 36.231 Roma in der Slowakei lebten. Nur 608 führten ein nomadisches Leben, was bedeutet, dass 35.623 einen festen Wohnsitz hatten.Laut der ungarischen Volkszählung verdienten sich 4.597 Roma-Familien ihren Lebensunterhalt durch Metallarbeit, 4.075 mit Musik, 1.817 durch die Herstellung von ungebrannten Lehmziegeln, 1.079 durch das Herstellen von Schnüren und Bürsten; andere Familien wiederum stellten Körbe und Besen her; 509 Frauen stellten Häkelarbeiten und Spitzen her. Servika-Roma arbeiteten für die Bauern auf den Feldern und beim Straßenbau. Einige waren Händler. Der Begriff Servika stammt von den Wörtern "Serbika", "Serbos" bzw. "Serbija" ab. Die in der Slowakei lebenden Roma wurden so genannt, weil sie ursprünglich aus Serbien kamen. Einige alte Roma können sich noch an diesen Begriff erinnern. Ein Großteil der in der Slowakei lebenden Servika-Roma bezeichnet sich heute jedoch selbst als Slowakische Roma oder Kherutne ("Hausbewohner"), da ihre Vorfahren bereits im 16. Jahrhundert damit begonnen haben, sich dort sesshaft niederzulassen.Die adeligen Besitzer des Schlosses Spišsky bedienten sich der "Zigeuner" als "Läufer": Bei der Jagd hatten die Roma die Aufgabe, das Wild aus den Wäldern ins offene Gelände zu t
Am Ende des 19. Jahrhunderts wanderten einige Roma, gemeinsam mit vielen armen slowakischen Gadže (Nicht-Roma), nach Amerika aus. Die meisten von ihnen blieben dort und leben heute vor allem in Chicago. Einige wurden reich und kamen wieder zurück. Nach dem Ersten Weltkrieg zerfiel die österreichisch-ungarische Monarchie und gegen Ende 1918 wurde die unabhängige Tschechoslowakische Republik gegründet.In jenen Tagen eröffneten sich neue Möglichkeiten. Einige Roma-Gemeinschaften – vor allem jene, die in Amerika reich geworden waren – begannen, mit Schweinen zu handeln. Es entstanden drei oder vier wohlhabende Siedlungen von Schweinehändlern in der Umgebung von Prešov in der östlichen Slowakei. Roma-Händler kauften die Schweine der Bauern und trieben sie nach Prešov, von wo sie tschechische Händler dann nach Prag oder in andere Städte in Böhmen brachten. Zu einer Zeit, als die meisten Bauern noch in Häusern aus Lehmziegeln wohnten, lebten einige Roma-Händler bereits in gemauerten Häusern und hatten – im Gegensatz zur übrigen Bevölkerung – bisweilen sogar Autos und Lastwägen. Einige Roma absolvierten eine höhere Ausbildung; unter ihnen waren Lehrer, Ingenieure usw. Über sie ist jedoch kaum etwas bekannt, da sie von ihrer Umgebung nicht mehr als "Zigeuner" wahrgenommen wurden.
Im Jahre 1939 wurde die Tschechoslowakische Republik durch einen taktischen Schachzug NS-Deutschlands geteilt und es entstand eine unabhängige Slowakische Republik. Im Unterschied zur Roma-Bevölkerung in anderen europäischen Staaten, die von deutschen Truppen besetzt oder unter deutsche Kontrolle gestellt worden waren, fielen die Roma der Slowakei nicht dem nationalsozialistischen Genozid (Völkermord) zum Opfer. Doch auch sie wurden verfolgt und diskriminiert; man internierte sie in Arbeitslagern, verfügte die Zwangsumsiedlung der "Zigeuner" aus den Dörfern und verbot ihnen, die Städte zu betreten usw. Die Behörden "unterteilten" die Roma in rassenideologisch definierte Gruppen: in "Zigeuner" und "Zigeuner-Slowaken". Jenen, die als Slowaken eingestuft wurden, erging es besser.Als die Slowaken sich gegen den Faschismus erhoben (29. August 1944), beteiligten sich auch viele Roma an den Kämpfen. Als im August 1944 die deutschen Truppen in die Slowakei einmarschierten und den Aufstand niederschlugen, blieben viele Roma in der Partisanenbewegung. Gegen Ende des Krieges bereiteten die Nationalsozialisten auch den Genozid an den Roma vor, aber zum Glück verhinderte das Kriegsende, dass die Vernichtungspläne in die Tat umgesetzt werden konnten.Im Jahr 1945 wurden die tschechischen Länder (Böhmen, Mähren und Schlesien) wieder mit der Slowakei zur Tschechoslowakischen Republik vereint. Die deutsche Bevölkerung (ca. 3.500.000 Menschen) wurde, als Folge von NS-Okkupation und Krieg, unmittelbar nach Kriegsende enteignet und gezwungen, die Tschechoslowakei zu verlassen. Das weitläufige Grenzland wurde entvölkert. Zu jener Zeit kamen tschechische "náboráří" (Rekruten) in die Slowakei und heuerten Menschen an, um in den entvölkerten Gebieten von Böhmen zu arbeiten und sich dort niederzulassen. Viele Roma verließen daraufhin die Slowakei.
Nahezu alle Roma, die heute in der Tschechischen Republik leben, sind Nachkommen jener Roma, die nach dem Krieg aus der Slowakei eingewandert sind: Es sind Servika-, Ungrika- Vlax-, Tschechische Roma und Sinti. Der überwiegende Teil der Tschechischen Roma wurde während des Krieges ermordet; von etwa 6.000 Roma überlebten nur ungefähr 600 Roma die Jahre der NS-Okkupation. Ungefähr ein Drittel der bis zum Ende des Krieges in der Slowakei lebenden Roma emigrierte langsam nach Böhmen, wo sie nun bereits seit vier oder fünf Generationen sesshaft sind.Unter kommunistischer Herrschaft waren die Roma von einer harten Assimilierungspolitik betroffen. Die Kommunisten verboten den Roma, Romani zu sprechen, und unterdrückten ihre Kultur. Sie versuchten, die Familien auseinander zu reißen und brachten ihre Kinder in Heime. Jeder, der keine Beschäftigung hatte, wurde schikaniert und nicht selten inhaftiert. Andererseits gewöhnten sich Roma allmählich an die "Gadže-Arbeit" (gadžikaňi buťi) in Fabriken und auf Baustellen. Roma-Arbeiter waren am Bau der Prager U-Bahn beteiligt.Nach dem Prager Frühling 1968 (dem niedergeschlagenen Versuch einer politischen Reform) wurde eine unabhängige Roma-Organisation, die Vereinigung von Zigeunern und Roma (SCR, 1969-1973) eingerichtet. In den vier Jahren ihres Bestehens gelang es der Vereinigung, das Niveau der Roma-Kultur zu heben. [Emanzipationsbestrebungen auf internationaler Ebene] Die SCR gab die Zeitschrift "Romano ľil" heraus, in der erstmals Verse, Kurzgeschichten und Artikel in Serviko-Romani veröffentlich werden konnten. Ein linguistisches Komitee entwickelte Normen zur Verschriftlichung des Serviko-Romani. [Roma-Enzyklopädie und standardisierte Schriftsprache]
Mit dem Einmarsch des Warschauer Pakts in die verbündete ČSSR im August 1968 übernahmen wieder die Moskau-treuen Kommunisten die Politik in die Hand. Sie lösten 1973 die SCR auf und versuchten einmal mehr, die Roma zu assimilieren.Im November 1989 kam es zur "Samtenen Revolution": Die Menschen stürzten das kommunistische Regime. Offiziell wurde die Anti-Roma-Politik nun für beendet erklärt und auch den Roma stand jetzt der Weg in die Politik offen. Viele Roma-Organisationen wurden gegründet. Bereits am zweiten Tag der Revolution gründeten die Roma ihre erste politische Partei, die ROI (Bürgerinitiative der Roma), als deren Gründer Dr. Emil Šcuka, heutiger Präsident der IRU (International Romani Union), und Jan Rusenko (der 1996 nach Belgien emigrierte) fungierten. Bis 1992 gab es elf (!) Roma-Parlamentsabgeordnete.Natürlich öffnete die Demokratie jedoch auch Extremisten den Weg – Skinheads, die Roma körperlich angriffen und ermordeten. Die genauen Opferzahlen sind uns nicht bekannt, aber es wurden mindestens 50 Roma ermordet. [Rassismus und Menschenrechte] Die gesellschaftliche Lage der Roma verschlimmerte sich rapide, die Arbeitslosigkeit war hoch und es fehlten Arbeitsplätze nicht nur für Roma, sondern auch für Gadže. Andererseits stiegen die sozialen Unterschiede innerhalb der Roma; es kam nicht selten vor, dass ein Rom den Aufstieg zum erfolgreichen Geschäftsmann schaffte.Die Angst vor den Skinheads in einem Staat, der nicht in der Lage war, seine Roma-Minderheit ausreichend zu schützen, und ihre eigene wirtschaftliche Notlage veranlassten viele Roma, in den Westen auszuwandern: nach Kanada, Belgien, Großbritannien, Australien, Neuseeland; unter ihnen herausragende Schriftsteller (Margita Reiznerová und František Demeter leben heute in Belgien; Ilona Ferková in England; Malvina Lolová lebt in Australien) und andere wichtige Roma-Persönlichkeiten.
Ende des Jahres 1992 wurde die Tschechoslowakei wieder in zwei Nationen geteilt, in die Tschechische Republik und die Slowakische Republik. Die tschechische Regierung erließ ein Gesetz über die "nationale Staatsbürgerschaft", die auf die Roma diskriminierende Auswirkungen hatte. Die Regelung war ein Versuch, in die Slowakei sogar Menschen abzuschieben, die nie zuvor in ihrem Leben dort gewohnt hatten (und deren Eltern oft bereits in Böhmen geboren worden waren). Deshalb begannen viele Servika-, also ursprünglich Slowakische Roma, darauf zu bestehen, dass sie keine "slowakischen", sondern "tschechische" Roma seien – auch wenn sie "slowakisches"Romani sprechen. Aus diesem Grund griffen sie auf den alten Terminus Servika-Roma zurück.Serviko ("slowakisches") Romani ist sehr alt. Indische Ursprungswörter und grammatikalische Konstruktionen blieben in der Sprache der alten Roma erhalten. Da Servika-Roma seit über drei oder vier Jahrhunderten in der Slowakei sesshaft sind, wird das "slowakische"Romani hauptsächlich dort gesprochen. Dieser Dialekt erstreckt sich auch über den Westen der Ukraine und nach Südpolen. Die Migration der Nachkriegszeit brachte Serviko-Romani nach Böhmen und Mähren. Wenn die emigrierten Servika-Roma ihre Muttersprache nicht aufgeben, ist es möglich, dass ihre Sprache auch in den Länder Fuß fassen kann, in die sie emigriert sind.Gleich wie jede noch nicht standardisierte Sprache hat auch das "slowakische"Romani viele Dialekte: "östliche" Dialekte in der Ostslowakei, "westliche" Dialekte im westlichen Teil. Im Osten gibt es zwei Hauptdialekte: die regionalen Varianten von Humenné und Prešov und einige weitere lokale Dialekte. Im Süden ist die Sprache vom Ungarischen beeinflusst, weshalb sich im Serviko-Romani ungarische Elemente finden. Es besteht kein Zweifel, dass sich alle Servika-Roma untereinander verstehen, egal welchen Dialekt sie sprechen.Nach der "Samtenen Revolution" wurde Roma-Schriftstellern der Weg zur Veröffentlichung geebnet. In nur zwei Jahren nach der Revolution konnten bereits mehr Bücher veröffentlicht werden als in den vorangegangenen 800 Jahren, in denen Roma in tschechischen Gebieten und in der Slowakei gelebt hatten. Es erschienen neue Zeitungen und Zeitschriften, wobei in jeder Ausgabe gewöhnlich nur drei oder vier Beiträge tatsächlich in Romani geschrieben waren, während die restlichen Artikel in anderen Sprachen gebracht wurden.Die Sprecher des Serviko-Dialekts haben sich bei den Bemühungen, ihre Romani-Variante auch als journalistisch und literarisch gebräuchliche Sprache zu verankern, besonders hervorgetan. Mehr und mehr Roma versuchen, ihre Gefühle und ihre Meinungen zu Papier zu bringen.
Literatur zu Vlach-Roma:
Fraser, Angus (1992) The Gypsies. Oxford. / Hancock, Ian (1987) Gypsy Slavery and Persecution. New York.Hancock, Ian (1987) The Pariah Syndrome. An Account of Gypsy Slavery and Persecution, Ann Arbor.Heinschink, Mozes F. / Hemetek, Ursula (eds.) (1994) Roma. Das unbekannte Volk. Schicksal und Kultur, Wien.Kogalniceanu, Mihail (1837) Esquisse sur l'histoire, les moeurs et la langue des Cigains. Berlin.Remmel, Franz (1993) Die Roma Rumäniens. Volk ohne Hinterland, Wien.Schindegger, Florian (1997) Lebensweise von Zigeunern in Wien am Beispiel der Festtradition der Kalderaš. Wien.Vossen, Rüdiger (1983) Zigeuner. Roma, Sinti, Gitanos, Gypsies zwischen Verfolgung und Romantisierung, Hamburg.Wippermann, Wolfgang (1997) Wie die Zigeuner. Antisemitismus und Antiziganismus im Vergleich, Berlin. Romani Patrin: Aus unserer Geschichte / Andar amari historija I-V, Heft 1/1998 bis Heft 1/1999.
Text beruht im Wesentlichen auf
Fennesz-Juhasz, Christiane / Halwachs, Dieter W. / Heinschink, Mozes F. (1996) Sprache und Musik der österreichischen Roma. In: GLS 46, pp. 61-110. Halwachs, Dieter W. (2004) Roma und Romani in Österreich. http://www-gewi.kfunigraz[...]ni/ling/romani-at.de.shtm.
Literatur zu Kalderaš-Roma:
Halwachs, Dieter W. (2001) Romani in Österreich. In: Halwachs, Dieter W. / Menz, Florian (eds.) Die Sprache der Roma. Perspektiven der Romani-Forschung in Österreich im interdisziplinären und internationalen Kontext, Graz, pp. 1-37 / Hancock, Ian (1987) The Pariah Syndrome. An Account of Gypsy Slavery and Persecution, Ann Arbor / Hancock, Ian (1987) Gypsy Slavery and Persecution. New York / Heinschink, Mozes F. / Hemetek, Ursula (eds.) (1994) Roma. Das unbekannte Volk. Schicksal und Kultur, Wien / Schindegger, Florian (1997) Lebensweise von Zigeunern in Wien am Beispiel der Festtradition der Kalderaš. Wien / Vossen, Rüdiger (1983) Zigeuner. Roma, Sinti, Gitanos, Gypsies zwischen Verfolgung und Romantisierung, Hamburg / Wippermann, Wolfgang (1997) Wie die Zigeuner. Antisemitismus und Antiziganismus im Vergleich, Berlin.
Literatur zu Servica-Roma:
Ilona Lacková (geb. 1921), Tera Fabiánová (geb. 1930), Jozef Feč o (geb. 1940), Andrej Gi ň a (geb. 1936), Vlado Oláh, PhD. (geb. 1949), Vojta Fabián (geb. 1949), František Demeter (geb. 1948), Margita Reiznerová (geb. 1945), Ilona Ferková (geb. 1955), Ján Horváth (geb. 1959), der bereits verstorbene Andrej Pešta (geb. 1921), Helena Č erve ňá ková-Laliková (geb. 1963) und andere. Alle schreiben im Serviko-Dialekt des Romani – außer Helena Č erve ňá ková-Laliková, die sich in einem speziellen Dialekt namens Roštár ausdrückt. Dieser Dialekt, der eine Mischung aus slowakischen und ungarischen Dialekten darstellt, wird von Roma in vielen Dörfern in der Umgebung von Ro žň ava (Slowakei) gesprochen.