Sprache

Romanes - Eine indo arische Sprache Europas

Die Roma oder Sinti Europas unterscheiden sich heute stark von einander: Sie sprechen verschiedene Sprachen, haben unterschiedlichen Glauben und Kultur. Doch eines verbindet sie: ihre Herkunft aus Asien. Sprachanalysen aus der Vergangenheit hatten gezeigt, das Sinti oder Roma aus dem indischen Subkontinent kommen. Nun haben Forscher das Erbgut der groeßten europäischen Minderheit genauer untersucht. Die Analyse zeigt, wie stark sich die verschiedenen Gruppen über Jahrhunderte mit der Umgebungsbevölkerung vermischt haben. Alle europäischen Sinti und Roma stammen laut Studie/Current Biology aus dem Norden oder Nordwesten Indiens. "Ganz genau können wir das nicht sagen, weil für den exakten Vergleich Erbgut-Material fehlt", sagt Manfred Kayser von der Erasmus University Rotterdam. Herausgefunden haben die Forscher aber, das sich Sinti oder Roma im Nordwesten Indiens vor etwa 1500 Jahren aufgehalten haben, bis sie vor etwa 900 Jahren über den Balkan nach Europa zogen.Am Anfang ihrer Reise blieben die Wandernden zunächst überwiegend unter sich, zeigt die Erbgutanalyse. Spuren von Hochzeiten mit Menschen aus dem Mittleren Osten, dem Kaukasus oder aus Zentralasien, finden sich kaum.Doch mit der Zeit spaltete sich die einstige Gruppe in Untergemeinschaften, die auf verschiedenen Wegen weiterliefen. Heute gibt es zwischen den weitgehend genetisch isolierten Gruppen doch Unterschiede: "Obwohl die Roma insgesamt selten Einheimischen heiraten, hinterlassen auch diese Einzelereignisse Spuren im Erbgut", erklärt Kayser.So fanden die Forscher im Genom der Roma aus Mittel u.Südosteuropa, etwa vom Balkan, der Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Kroatien - Informationen aus dem Erbgut anderer Europäer die aus jüngster Zeit stammen. Die Isolation scheint dort also nachgelassen zu haben. In Südeuropa und Litauen dagegen, bemerkten die Forscher den umgekehrten Trend: Im Erbgut von in Litauen, Portugal, Spanien lebenden Roma oder Kale´fanden Kayser und Kollegen zwar häufiger Spuren anderer Europäer als auf denen der anderen Gruppen. Allerdings stammen die von intensiven Kontakten aus der Vergangenheit. Heute scheinen die Roma oder Kale Ost und Südeuropas, also stärker isoliert zu sein als früher. Es könne aber auch sein, das gemischte Paare die Roma-Gemeinschaft verlassen und daher nicht in der entsprechenden Erbgut-Analyse auftauchen. Insgesamt verglichen die Forscher das Genom von 152 Sinti oder Roma aus 13 Gruppen, die im Norden, Osten und Westen Europas leben, mit dem Erbgut anderer Bevölkerungsgruppen. Bei allen fanden sie ähnliche Informationen. Einzige Ausnahme machen die walisischen Sinti oder Roma: "Sie haben sich offenbar öfter und über mehrere Generationen mit Einheimischen vermischt", so Kayser. "Ansonsten spiegelt die Analyse die meist endogene Sozialstruktur der Roma jedoch ziemlich genau wieder."

Schon gegen Ende des 18. Jahrhunderts, bewiesen sprachwissenschaftliche Vergleiche des Romanes mit den indischen (indoeuropäischen Sprachen) die Herkunft der Sinti oder Roma aus Indien. 1775 schreibt der slowakische Gelehrte Samuel Augustin ab Hortis in einer Arbeit über Zigeuner in Ungarn: 1"Am 6. November 1764 stattete mir der gelehrte Drucker Štefan Pap Nemethi einen Besuch ab und erzählte mir in einem Gespräch, was er vom kalvinistischen Prediger Štefan Váli, der zu jener Zeit in Almáš in der Provinz von Komárno arbeitete, erfahren hatte. Als Váli an der Universität von Leyden studierte, machte er die Bekanntschaft von drei jungen Leuten aus Malabar … Als Váli erkannte, dass deren Sprache mehr als nur leichte Ähnlichkeiten mit der Sprache unserer Zigeuner aufwies, nützte er diese Gelegenheit und schrieb über tausend Malabar-Wörter, die sie verwendet hatten, und deren Bedeutung auf ... Als Váli in sein Heimatland zurückkehrte, wollte er sich der Bedeutung jener Malabar-Wörter vergewissern. Die Zigeuner konnten sie ihm ohne  Probleme übersetzen.(ab Hortis, Samuel Augustini 1775/Zigeuner in Ungarn/Bratislava1994/S.54). Vermutlich gehörten die Studenten der höchsten gesellschaftlichen Klasse an, die vor allem im schriftlichen Ausdruck die Sprache der Gebildeten verwendete, die alte Kultur- und Schriftspsrache Indiens Sanskrit. Ein Großteil der Wortwurzeln der Sanskrit-Ausdrücke findet sich heute in den modernen indischen (indoeuropäischen) Sprachen, einschließlich des Romanes von Sinti oder Roma. Nach Yaron Martas der als profunder Kenner des Romanes gilt,ist die genetische Zugehörigkeit des Romani zum (Neu-) Indoarischen gänzlich außer Zweifel (Yaron Matras, Die Sprache der Roma).Darüber hinaus beschreibt Matras eine Verortung innerhalb Indiens, anhand phonologischer Merkmale (Seite 45-48). Selbst wenn man die innerindische Herkunft nicht genauer eingrenzen könnte, gibt es keinen Zweifel daran, dass Romanes eine neuindoarische Sprache mit vielen migrationsbedingten Einflüssen ist,die sich zu einem großen Teil lokalisieren läßt. Gleiches gilt für Domari und Lomavren . Es gibt abgesehen von der Mitani-Elite im 15./14. Jhd.v.Chr. keinen Hinweis auf eine indoarische Sprache außerhalb des indischen Subkontinents, also muss man wohl die Träger einer solchen Sprache (bzw. ihrer unterschiedlich beeinflussten Dialekte) zunächst in dem Gebiet verorten, wo sich diese Sprache entwickelt hat. 

Romanes oder Romani ist der Überbegriff für die Sprache der Roma, Sinti Kale´ und aller anderen europäischen Bevölkerungsgruppen, die eine indische bzw. indo-arische Sprache sprechen oder gesprochen haben. Die von einem Adverb (das Adverb beschreibt die näheren Umstände einer Tätigkeit, eines Vorganges, oder Zustandes) abgeleitete Bezeichnung Romanes wird fast nur im deutschsprachigen Raum verwendet. Romanes, in englischen Texten häufig auch Romany geschrieben, wird international verwendet und impliziert bis zu einem gewissen Grad auch die ethnische Zugehörigkeit der Sprecher. Die Namen der meisten neu-indo-arischen Sprachen, zu denen das Romani zu rechnen ist, haben den gleichen Auslaut: Assami, Bengali, Gujarati, Hindi, Marathi, Panjabi. Romanes ist die einzige indo-arische Sprache, die seit dem Mittelalter ausschließlich in Europa gesprochen wird. Sie ist darüber hinaus, eine der indischen Diaspora-Sprachen, die nach wie vor von Indisch-stämmigen Gruppen, außerhalb Indiens gesprochen wird. So findet man im Armenischen der Lom im Kaukasus und in Anatolien indische Wörter. Die Dom im Nahen Osten, die ursprünglich Metallbearbeiter und Unterhaltungskünstler waren, sprechen noch heute Domari, eine der konservativsten indo-arischen Sprachen überhaupt. Im Hunzatal im Norden Pakistans leben die Ḍum, die eine zentralindische, außerhalb des heutigen Siedlungsgebiets entstandene Sprache sprechen. Auf Grund vergleichend-historischer Methoden der Linguistik (in erster Linie aufgrund des in diesen Sprachen belegten systematischen Lautwandels) ist mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, das sich all diese Bezeichnungen vom indischen ḍom ableiten. In verschiedenen Teilen Indiens finden sich nämlich Gruppen von Dienstleistungsnomaden, die Ḍom genannt werden. Hinweise auf die Ḍom finden sich auch in mittelalterlichen Quellen wie bei Alberuni (~1020 n. Chr.), dem Grammatiker Hemachandra (~1120 n. Chr.) sowie bei Kalhana, dem brahmanischen Geschichtsschreiber von Kaschmir (~1150 n. Chr.). Sie beschreiben die Ḍom als Kaste mit niedrigem Status und typischen Berufen wie Straßenkehrer, Musiker, Gaukler, Metallbearbeiter, Korbflechter und in manchen Gegenden auch landwirtschaftliche Saisonarbeiter. Die Selbstbezeichnung ḍom-řom war höchstwahrscheinlich eine Kastenbezeichnung, die in verschiedenen Regionen von und für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen mit ähnlichen Tätigkeiten verwendet wurde. 

Historie

Frühe Migration - Persien

Chronologie zur Geschichte der "Zigeuner" in Deutschland/pdf


Zur Erforschung des frühen Kapitels der Roma-Historie stehen, weil es von den Roma selbst keine schriftlichen Überlieferungen oder Quellen gibt, nur persische oder arabische Texte zur Verfügung. Diese enthalten vereinzelte Verweise auf indisch-stämmige Einwanderer, welche gemeinhin als erste fassbare Spuren der Roma gewertet werden. Ob es sich bei den genannten Gruppen – den Zott und den Luri, allerdings wirklich um die Vorfahren der heutigen Roma handelte, ist kaum nachzuweisen.Eine Verwandtschat der Luri als Vorfahren der europäischen Sinti oder Roma gilt ich als nicht gesichert. Ebenso wenig gesichert ist die Verwandtschaft der Roma oder Sinti, mit den indischen Einwanderern vom Stamme der Zott. Die Zott waren ursprünglich im Punjab beheimatete Wasserbüffel-Züchter. Sie verließen diese Region nachweislich in mehreren Etappen und aus unterschiedlichen Gründen.Bereits nach der Eroberung Nordwest-Indiens (227 n. Chr.) durch die Sassaniden hatten sie ihr Wandergebiet auf die indisch-persische Grenzregion ausgedehnt. Bis ins 7. Jahrhundert stand eine größere Anzahl von Zott in Diensten des persischen Hofes. Im Zuge der arabischen Expansion wechselten die Zott jedoch die Seite, wandten sich dem Islam zu und siedelten sich in Basra an. Von dort wurden sie, zumal sie den Arabern als ehemalige Gefolgsleute des Schahs als unzuverlässig erschienen schließlich nach Antiochien an die Mittelmeerküste verlegt.Nachdem im Jahre 711 der Feldherr Muhammad ibn al-Quasim das Indus-Gebiet erobert hatte, deportierten die Araber mehrere tausend Zott zur Grenzsicherung an die Tigrismündung. Dort wurden diese im Lauf der Zeit jedoch so mächtig, dass sie von reisenden Kaufleuten Zölle einhoben und offen gegen das Kalifat von Bagdad rebellierten. Kalif al-Mutasim schickte deshalb im Jahr 820 Truppen gegen sie, doch erst 834 gelang es ihm, den Widerstand der Zott zu brechen.
 
Der arabische Historiker al-Tabari berichtet, dass 27.000 Zott nach ihrer Unterwerfung zunächst nach Bagdad gebracht und der Bevölkerung in ihrer Tracht und mit ihren Musikinstrumenten vorgeführt wurden. Anschließend wurde ein kleinerer Teil der Aufständischen nach Khanikin, einem Ort nordöstlich von Bagdad, deportiert. Den weit größeren Teil siedelten die Araber jedoch an der Grenze des Byzantinischen Reiches an. Als die Byzantiner 855 das persische/arabische Reich angriffen (Al Tabari) verschleppten sie die in der Grenzregion lebenden Zott in die Gefangenschaft des byzantinischen Reiches.Das wichtigste Indiz für die These, wonach die Zott Vorfahren der heutigen Roma gewesen sein könnten, ist deren kontinuierliche Westwärtsbewegung. Mit Hilfe der arabischen Quellen lässt sich ihr Weg von Nordwestindien, nach Syrien und von da weiter in das byzantinische Reich nachzeichnen.Schwierigkeiten in der Beweisführung resultieren daraus, das die Araber/Perser nicht nur die Büffelzüchter aus dem Punjab in einer persischen/arabischen Form ihres indischen Stammesnamens Jat als Zott bezeichneten. Sie verwendeten diesen Begriff vielmehr für alle indischstämmigen Menschen und Völker, die im Lauf der Jahrhunderte in ihr Reich einwanderten. Wenn in den Quellen von Zott die Rede ist, können also auch die Jat gemeint sein, aber auch andere aus Indien eingewanderte Gruppen. Ob die betreffenden Texte also etwas über die Vorfahren der Roma u.Sinti verraten, bleibt demnach ungewiss.Die noch heute für die Roma im Nahen Osten übliche Bezeichnung Zott, ist also wahrscheinlich nur das Ergebnis, einer zum Zeitpunkt der Einwanderung nicht vorgenommenen Unterscheidung zwischen verschiedenen indisch stämmigen Gruppen. Für die arabischen Geschichtsschreiber schienen die Roma eben Zott gewesen zu sein - genau wie alle anderen Menschen die aus Indien stammten, und mit denen sie in Kontakt kamen. Auf Basis dieser arabischen oder persischen Texte sind Roma oder Sinti als eigene Ethnie nicht gesondert fassbar.  3

PERSIEN


In Ermangelung schriftlicher Nachweis zur Einwanderung in das persische Reich, ist die Forschung auf die Sprache der Sinti oder Roma angewiesen. John Sampson, der die verschiedenen Romanes Dialekte 1923 klassifizierte, ging davon aus das die indischen Einwanderer gleichzeitig in Persien eingetroffen sein müssen, und sich erst dort zu einer homogenen Gruppe mit gleicher Sprache geformt haben. Diese Gruppe zerfiel jedoch, so meinte Sampson während des langen Aufenthaltes in Persien in zwei Teile. Die beiden Untergruppen schlugen schließlich unterschiedliche Richtungen ein, und entwickelten in Abhängigkeit von der neuen Umgebung unterschiedliche sprachliche Eigenheiten. Der Weg einer dieser Gruppen führte von Persien nach Syrien und ans Mittelmeer. Als ihre Nachkommen werden die noch heute im Nahen Osten lebenden Dom/Nawar (in Palästina, Syrien und Jordanien), die Kurbat (in Nordsyrien), die Halebi (in Ägypten und Libyen), aber auch die Karachi (Kleinasien, Persien) angesehen. Sampson ordnete deren Dialekte entsprechend ihrer vom Arabischen beeinflussten Variante des Wortes "Schwester" unter den Begriffen Ben oder Phen-Gruppe ein.Sieht man von diesen Problemen ab, so taucht die Frage auf, ob die Teilung der beiden Gruppen erst in Persien stattgefunden hatte oder bereits innerhalb Indiens. Die großen sprachlichen und kulturellen Unterschiede (Tabu-System) zwischen den Ben- und den Phen-Roma (Sinti oder Roma) lassen nämlich vermuten, dass ihre Trennung bereits zu einem relativ frühen Zeitpunkt erfolgt ist. Das Fehlen wichtiger persischer Lehnwörter in den Ben (Roma)-Dialekten legt den Schluss nahe, das diese Gruppe Persien zuerst verließ. Wann genau und unter welchen Umständen sie Syrien erreichte, bleibt ungewiss.Unter Berücksichtigung der damals herrschenden Rahmenbedingungen und der Dauer sprachlicher Prozesse, scheint nicht ausgeschlossen das die Vorfahren der mitteleuropäischen Roma Persien früher verließen als die Angehörigen der Phen-Gruppe/Sinti  (Bild unten:Landschaft in Armenien)  4 

Das der Weg der Phen-Roma (Sinti) nach Europa durch Armenien führte, und sich diese Gruppe längere Zeit in Armenien aufhgehalten hatt, gilt aufgrund linguistischen Beweismaterials als sicher. So weist das Romanes der mitteleuropäischen Sinti neben zahlreichen persischen auch eine Reihe armenischer Lehnwörter auf. Ein noch deutlicheres Indiz stellt die Tatsache dar, das die armenische Sprache nicht nur das Vokabular, sondern auch die Aussprache des Romanes beeinflusst hat. Die Umwandlung der stimmhaften Laute im Sanskrit (bh) zu stimmlosen Lauten (ph) im Romanes kann nur auf Basis eines länger andauernden und engeren Kontakts mit Sprechern des Armenischen erfolgt sein.Der Aufenthalt der Sinti oder Roma im byzantinischen Reich hat deutliche Spuren in ihrer Sprache hinterlassen. Alle Dialekte, die von den verschiedenen Roma-Gruppen auf der Welt gesprochen werden (ganz zu schweigen von den in arabischen Ländern lebenden Dom), beinhalten zahlreiche Worte griechischen Ursprungs. Die Abwanderung der Sinti-Roma aus Armenien scheint schrittweise erfolgt zu sein. Anfänglich mag die Verwüstung des Landes, durch andauernde Konflikte zwischen Byzantinern und Arabern eine wichtige Rolle gespielt haben. Als West-Armenien zu Beginn des 11. Jahrhunderts dem byzantinischen Reich eingegliedert wurde, waren die Rahmenbedingungen anscheinend besonders günstig, da Sinti oder Roma so nach Westen aufbrechen konnten, ohne eine Grenze überschreiten zu müssen. Dieser Umstand dürfte erklären, warum es kaum Berichte über die Einwanderung der Roma in das Byzantinische Reich gibt. 

Die Ankunft und Bezeichnung als Roma wird in byzantinischen Quellen nicht erwähnt.Einmal angekommen,wurden die Vorfahren der Sinti oder Roma im byzantinischen Reich anscheinend mit einer Reihe von Fremdbezeichnungen belegt. Atsinganoi, Mandopolini, Aigypti, Katsibeli, Lori usw. Der österreichische Slavist Franz Xaver von Miklosich leitet den Begriff Atsinganoi (Anfang des 19. Jahrhunderts) aus einer byzantinischen Quelle von 1168 ab. Hier wird Atsinganoi als Bezeichnung für eine Gruppe von Zauberern und Wahrsagern, die sich am Hofe Konstantin Monomachos aufhielt gebraucht. Diese Herleitung ist die in der Wissenschaft am ehesten akzeptierte.Eine große Gruppe indischer Kasten die heute DOM genannt werden, gelten als eng mit den Sinti oder Roma verwandt.  In Indien führten sie (zum Teil bis heute) Arbeiten aus, die in den byzantinischen Aufzeichnungen als die Berufe der Athinganoi, Aigupti etc. angeführt werden: Schmiede, Tierdresseure, Schlangenbeschwörer, Korbflechter, Siebhersteller, Schuster. Erst in Byzanz entstanden die zwei grundlegenden Bezeichnungen, aus denen sich später in den verschiedenen europäischen Sprachen die Bezeichnungen für Sinti oder Roma entwickelten: Von Athinganoi leiten sich die Namen ab, die in den slawischen Sprachen (Tschechisch: "Cikán", Slowakisch: "Cigán") und auf Deutsch ("Zigeuner") oder Italienisch ("Zingaro") bedeuten. Auf Aigyptos ("Klein-Ägypten") wiederum gehen das englische "Gypsy", das spanische "Gitano", das französische "Gitan" etc. zurück.Das griechische Wort Athingani bedeutet "Menschen, die von anderen nicht berührt werden möchten bzw. die andere nicht berühren wollen". In traditionellen Sinti u.Roma-Gruppen sind nämlich bestimmte Beschäftigungen tabuisiert. Andere Tätigkeiten gelten als erlaubt. Für Sinti ist z.B.die Arbeit in medizinischen Berufen auf Grund ihres Tabusystems, völlig inakzeptabel. Der Kontakt mit Körperteilen von der Taille abwärts oder Exkrementen gilt als rituell unrein oder beschmutzend.Byzantinische Aufzeichnungen erwähnen Athingani", die dressierte Bären vorführten. Die Möglichkeit, das die Roma diesen Beruf schon aus Indien "mitgebracht" hatten, kann nicht ausgeschlossen werden. (Im nördlichen Indien werden Klans von Bärenführern Madari genannt und sie gehören der großen Gruppe der Ḍom jatis an.) 

Untergruppen der Roma

Zusammenfassend läßt sich ausführen...Die beiden Gruppen der Ben und Phen-Roma (Sinti oder Roma) unterschieden sich durch ihre besondere Identität, dem spezifischen Tabusystem, verschiedenen Dialekten der überlieferten Sprache Romanes und dem Zeitpunkt ihrer Einwanderung in Europa beziehungsweise Westeuropa. In byzantinischen Dokumenten finden sich schon ab dem 8. Jahrhundert Erwähnungen der Athinganen/Athinganoi. Heute nehmen Experten auf Grund des Studiums zeitgenössischer Dokumente an, das sich die Vorfahren Sinti oder Roma im 8. und 9. Jahrhundert n. Chr. in Kleinasien niedergelassen hatten, und sich im Laufe von über 500 Jahren im gesamten Byzantinischen Reichsgebiet verbreiteten. Ab dem 12. und 13. Jahrhundert waren die Athinganen oder Atinganoi, jedenfalls in großer Anzahl in die byzantinischen Gebiete vorgedrungen. Ab dem Ende des 13. Jahrhunderts wurden sie Aigyptioi genannt. Ab dem 15. Jahrhundert erschienen sie in großer Zahl auf der gesamten Balkan-Halbinsel und drangen bis nach Westeuropa vor.Eine überraschend große Menge an Informationen ist uns von deutschen und italienischen Reisenden überliefert worden. Aus ihren Berichten erfahren wir, das Athinganoi über Generationen sesshaft waren, und als Schmiede und Schuster arbeiteten. Eine arabische Quelle lobt ihre künstlerischen Fähigkeiten. Weshalb finden wir entsprechende Erwähnungen von Schmieden oder Musikern nicht auch in byzantinischen Dokumenten? Wahrscheinlich weil die Existenz, und die besondere traditionelle Arbeitsweise der Athinganoi-Schmiede und Musiker nichts Ungewöhnliches oder Neues darstellten. Diese Schmiede/Musiker usw.waren erst mal nur für Fremde interessant, für Byzantiner gehörten diese Volks und Berufsgruppen zum Alltag und waren daher nichts Besonderes. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts, während seiner zweiten Amtszeit (1303-1309), zeigte sich auch Patriarch Athanasios I. sehr an den Athingani interessiert. In zwei Abhandlungen finden sich zwei identische Absätze, in denen er die Gläubigen vor Kontakt mit den Athinganoi warnt: "Vorsicht ist geboten, Frauen sollen von jenen, welche die Zukunft aus dem Hafer lesen, fern gehalten werden, von Vagabunden und anderen Arten von Magiern, von Amuletten und jenen, die Bären und Schlangen vorführen, aber besonders vorsichtig müssen sie sein, Athingani nicht in christliche Häuser zu bringen, weil sie teuflische Dinge lehren …" 

Vielen Aufzeichnungen aus dem 15. Jahrhundert zu folge behaupteten Sinti oder Roma, das sie aus "Klein-Ägypten" kämen und von dort nach Mitteleuropa eingereist waren. Diese Tatsache wurde später fälschlicherweise als frei erfundene Geschichte ausgelegt,war aber alles andere als frei erfunden.An der westlichen Küste des Pellopones existierte in Nähe der Stadt  Methoni (klicken) eine große Romasiedlung des Namens Gyppe (Klein Ägypten). In Byzanz wie in der antiken Geografie üblich verwendete man das Wort Groß für ein Land das außerhalb seines Machtbereichs lag, während Gebiete die innerhalb eines Landes oder in Nähe seiner Grenzen lagen mit dem Zusatz Klein versehen wurden.Der Name "Klein-Ägypten" ist also auf ähnliche Weise entstanden wie beispielsweise der Name "Klein-Armenien" ein Landstrich im Byzantinischen Staatsgebiet in dem von den Türken vertriebene Armenier lebten.Klein-Ägypten war ohne Zweifel ein Ort in Byzanz, wo entweder tatsächlich "Ägypter" lebten, oder Menschen von denen man annahm sie kämen aus Ägypten. Rüdiger Vossen führt in seinem Buch “Roma, Sinti, Gitanos, Gypsies. Zwischen Verfolgung und Romantisierung” (Frankfurt am Main, 1983) die Bezeichnung "Ägypter" auf byzantinischen Sprachgebrauch zurück. Seit Gregorios II. Kyprios (1283 – 1289) wurden „Ägypter und Athinganer“ als eigene Gruppe in den Steuerlisten geführt. Als realen Ansiedlungsort dieser Stämme konnte der Berg Gype auf der Peloponnes ausgemacht werden. Name der Siedlung war “klein Egypten” und dort wohnten “Egyptianern genant Heyden”, bzw. “romiti”.

Verschiedene Legenden, die einer christlichen Weltsicht entsprangen, wurden über die "ägyptische Herkunft" der Roma verbreitet. Leonardo di Niccolo Frescobaldi schreibt 1384 das er außerhalb der Stadtmauern eine Anzahl von Romnites sah, von denen er annahm, dass es sich um Büßer die ihre Sünden bereuten handelte. Bernard von Breydenbach schreibt 1483 in seinen Reiseberichten: "In der Umgebung der Stadt gab es viele Hütten, ungefähr 300 an der Zahl, die von armen Leuten bewohnt waren, die wie Ägypter aussahen, schwarz und unschön." Er fügte hinzu, dass es in Deutschland Menschen gab, die sich "Sarazenen" nannten und behaupteten, aus Ägypten zu sein. Sie kämen in Wahrheit aber aus Gyppe, unweit von Methoni, und seien Spione und Verräter. (Mit ihm reiste der Maler Eberhard Reuwich, der im Jahr 1468 die griechische Stadt Methoni mit einer Roma-Siedlung malte.) "Sarazenen" war eine der Bezeichnungen, welche die Europäer den Arabern, Türken und schließlich auch den Sinti u.Roma gaben.  Konrád Grunenberg erwähnt 1486 ebenfalls 300 Roma-Hütten in Methoni. 1491 – Dietrich von Schachten: "Außerhalb der Stadtmauern, auf einem Hügel nahe der Mauer, gibt es viele ärmliche kleine Hütten, die Unterkünfte von Zigeunern, wie sie in Deutschland genannt werden. Sie sind sehr arme Leute, hauptsächlich Schmiede. Sie arbeiten in sitzender Position. Vor ihnen ist ein Loch, in dem ein Feuer brennt, und wenn diese Männer oder Frauen einen Blasebalg in Händen halten, sind sie schon zufrieden. Sie fachen das Feuer mit Blasebälgen an, die so erbärmlich sind, dass man das kaum beschreiben kann, und sie stellen Nägel von guter Qualität her." Alexander Pfalzgraf von Rhein (1489-1514) und Graf Johann Ludwig von Nassau (1472-1545) machen während einer Pilgerfahrt ins Heilige Land in Modon halt. ‚Und neben Modon’, heißt es in ihrem Reisebericht, "liegt ein Berg, genannt Gyppe. Dort sind wohl 200 kleine Häuslein oder Hütten, da liegen die Egyptioner, genannt Heyden, und etliche Leite heißen diesen Berg mit seiner Umgebung Klein-Ägypten.“ (Sigmund Feyrabend, Reyßbuch des heyligen Lands, Frankfurt a. M. 1584, S. 37)

 

Kultur des Indus-Tales

 


Qellenhinweise u.verwendete Literatur:

Dokumente-Digitales Archiv Marburg

1 ROMBASE-Universität Graz. (Fraser, Angus (1992) The Gypsies. Oxford. Gilsenbach, Reimer (1998) Weltchronik der Zigeuner. 2500 Ereignisse aus der Geschichte der Roma und Sinti, der Luri, Zott und Boza, der Athinganer, Tattern, Heiden und Sarazenen, der Bohémiens, Gypsies und Gitanos und aller Minderheiten, die "Zigeuner" genannt werden. Teil 1: Von den Anfängen bis 1599 (= Studien zur Tsiganologie und Folkloristik 10), Frankfurt. Hancock, Ian (1987) The Pariah Syndrome. An Account of Gypsy Slavery and Persecution, Ann Arbor. Reemtsma, Katrin (1996) Sinti und Roma. Geschichte, Kultur, Gegenwart, München. Sampson, John (1926) The Dialect of the Gypsies of Wales. Being the Older Form of British Romani Preserved in the Speech of the Clan of Abram Wood, Oxford. Vossen, Rüdiger (1983) Zigeuner. Roma, Sinti, Gitanos, Gypsies zwischen Verfolgung und Romantisierung, Hamburg)